Was ist Wissen und kann man es «managen»?
Um den Begriff des Wissens zu verstehen, ist es relevant den Unterschied zwischen Daten, Information und Wissen zu betrachten.
Daten bestehen aus Zeichen (z.B. Buchstaben oder Zahlen) die durch Kombinationsregeln und Kontext eine Bedeutung erhalten. Nur Daten lassen sich speichern, zum Beispiel als Text.
Wenn Daten in einem bestimmten Kontext für eine Person bedeutungsvoll werden, werden diese Daten zu Informationen.
Kann ein Mensch die Informationen aufnehmen und mit seinem bestehenden Wissen verbinden, schafft er neues Wissen, es findet ein Lernprozess statt. Wissen ist also stets immateriell, nicht greifbar, subjektiv und existiert nur im Kopf des Menschen.
Dies hat wesentliche Konsequenzen für das «Wissensmanagement». Selbst wenn wir versuchen würden, all unser Wissen zu explizieren und in Daten zu speichern, würde uns dies nicht gelingen.
Damit ist auch der Begriff des «Wissensmanagements» hinfällig. Vielmehr ist der Begriff der «Wissensarbeit» zu verwenden, die man fördern kann.
Förderung der Wissensarbeit
Nach den heutigen Erkenntnissen gliedert sich die Wissensarbeit in drei Dimensionen, nämlich Mensch, Organisation und Technik.
Dimension Mensch
Der Anteil an Menschen, die wissensbasierte Tätigkeiten ausüben, ist stark steigend. Diese Wissensarbeit verlangt von den Betroffenen, dass sie ihre Arbeitsressource Wissen ständig überprüfen und bei Bedarf erweitern, dass sie selber evaluieren, welches Wissen sie entwickeln müssen, um ein Problem zu lösen, und vor allem, dass sie auch selber für die Qualität der Lösung verantwortlich sind. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, brauchen Wissensarbeitende drei Elemente:
- Den notwendigen Handlungsspielraum
- Eine gewisse Entscheidungsautonomie
- Innere Motivation
Erst durch diese Elemente können kompetenzfördernde Arbeitsplätze entstehen und der Umgang mit Wissensarbeitenden als Kapital der Organisation erkannt und daraus Nutzen gezogen werden.
Dimension Organisation
Für Organisationen haben die Ausführungen oben wesentliche Konsequenzen. Die traditionellen Strukturmodelle mit hierarchischer Führung werden dadurch zunehmend in Frage gestellt:
- In einer wissensintensiven Organisation ist Hierarchie keine Legitimation für Führung mehr
- Mitarbeitende müssen zunehmend ihre Arbeit selbst organisieren und können sie nur selbst organisieren
Den Organisationen ist bewusst, dass sie mehr in ihre Mitarbeitenden investieren müssen, um diese zu halten und dass es effizient ist, diesen Mitarbeitenden Zeit und Raum zu geben, damit diese Wissen austauschen und entwickeln können. Vor diesem Hintergrund sind auch unterschiedliche Führungsansätze zu betrachten (und damit sind nicht nur aber auch die «agilen» Führungsansätze gemeint).
Auch der bekannte Ansatz des «Führen durch Zielvereinbarung und nach dem Ausnahmeprinzip» kann zur Förderung der Wissensarbeit eingesetzt werden. Es braucht allerdings die Bereitschaft, die Ziele kooperativ mit den Mitarbeitenden zu entwickeln (die Wissensarbeitenden können und müssen zu erreichende Ziele aufgrund ihrer Expertise zumindest mitbestimmen können).
Daher wird heute auch auf eine verstärkte Teamorientierung in Organisationen gesetzt. Statt individuelle Ziele werden Teamziele vereinbart. Dazu wird auch herausgearbeitet, welchen Sinn und Zweck das Team verfolgt sowie für wen und warum es seine Arbeiten durchführt. Zudem wird darauf geachtet, durch das Kombinieren verschiedener Kompetenzen, mehr Diversität in die Teams zu bringen. Der Führungskraft kommt hier mehr die Rolle als Coach, Partnerin oder Befähigerin zu, denn als «Vorgesetzte». Dabei müssen die Teammitglieder alle Selbstverantwortung übernehmen, damit die Ziele des Teams auch erreicht werden können.
Bei einem Teil der agilen Organsationsformen wie zum Beispiel der Holakratie, wird die komplette Führungsverantwortung und damit die Macht in der Organisation vollständig verteilt (nicht delegiert). Hier übernehmen die einzelnen Mitarbeitenden die komplette Selbstverantwortung für ihr Handeln und entscheiden selbstständig im Rahmen der eigens definierten Rollen und Zuständigkeiten und den vorgegebenen Entscheidprozessen. Dieser Ansatz ist keinesfalls mit Basisdemokratie oder ständiger Partizipation aller Betroffener zu verwechseln. Dies würde die Organisation genauso lähmen wie zu starre traditionelle Organisationsstrukturen.
Die agilen Organisationsformen sind darauf ausgerichtet, dass man in einem dynamischen Umfeld gar nicht mehr so gut und soweit vorausplanen kann, wie dies die klassischen Organisationsformen eigentlich erfordern würden. Dabei wird einerseits berücksichtigt, dass sich die Anforderungen an die Leistungen der Organisation rascher verändern als früher aber auch, dass bei der Problemlösung ein Lernprozess und Erkenntnisgewinn stattfindet.
Dimension Technik
Wie erwähnt, ist eine optimale technische Infrastruktur (bzw. der reine Ansatz des «Management of Information») keine hinreichende Bedingung um Wissensarbeit genügend zu fördern. Aber natürlich ist die technische Unterstützung der Wissensarbeitenden zwingend notwendig.
Zur Förderung der Wissensarbeit sollten Informations- und Kommunikationstechnologien vier grundlegende Funktionalitäten (Eppler, 2012 / Hasler 2013) bieten (die nachfolgend aufgeführten Beispiele erfüllen in aller Regel mehr als eine dieser Funktionen):
- Unterstützung der Zusammenarbeit und Kommunikation: Groupware (themengentrennte Unterhaltungen/Kanäle, Chats, E-Mail, Messengerdienste, Videokonferenzen); Projektmanagement-Software (Aufgaben, Zeitplanung, Ressourcenzuteilung), Prozess-Management (Benachrichtigungen, Freigaben, Lenkung,) bis hin zur digitalgestützten Automatisierung ganzer Prozesse (z.B. Rechnungseingang und Verbuchung)
- Verwaltung von Daten: Mitglieder und Spendedatenbanken (Kontaktlisten, Mutationen, Mitgliederliste), Dokumentenhaltung (Versionierung und Historie, Lenkung, kooperative Zugriffsmöglichkeiten, Archivierung); Buchhaltung und Rechnungswesen (Budgetierung, Buchführung, Beitragsinkasso, Rechnungsstellung, Kosten- und Leistungsrechnung, Jahresabschluss); Terminkalender für Organe, Gremien, Geschäftsführung und Mitarbeiternde; Organisationsinterne Wikis, Wissenslandkarten oder Blogs, etc.
- Darstellung und Aggregation von Daten: Portale die Informationen kuratiert und selektiv darstellen; Verzeichnisse zu Expert:innen innerhalb der NPO; Führungsinformationssysteme (Zusammenzug von Daten aus verschiedenen Systemen, Statistiken der NPO, Branchendaten, Auswertung von periodischen Befragungen (von Mitgliedern, Mitarbeitenden, Spender:innen); Anomalie- und Fehlererkennung durch künstliche Intelligenz; …
- Suchen und Finden von Daten: Suchfunktionen über gesamte Datenbestände, Filterung von Daten, Rangierungen, Strukturieren und Klassifizieren von Daten, automatische Erstellung von Inhaltsangaben oder Zusammenfassungen, …
Fazit
Wenn Organisationen Wissen als die relevante strategische Ressource identifiziert haben, muss es ihnen gelingen das System Wissensarbeit in den Dimensionen Mensch-Organisation-Technik zu fördern. Dabei muss Vertrauen in die Mitarbeitenden an erster Stelle stehen. Die traditionellen Rollen von Führungskräften müssen dabei nicht komplett in Frage gestellt, aber sicher tiefgreifend überdacht und angepasst werden. Agile Organisationsformen bieten zudem Ansätze, um die Selbstverantwortung der Wissensarbeitenden weiter zu steigern und das System adaptiver für Anpassungsdruck aus dem Umfeld der Organisation zu machen. Die technische Unterstützung der Mitarbeitenden ist ein weiteres zentrales Element um die Kooperation zu fördern und die Entwicklung neuen Wissens zu ermöglichen.