Die Mitglieder von Wirtschaftsverbänden – also Unternehmen – bewegen sich in einem hochdynamischen Umfeld und müssen sich laufend den veränderten Marktbedingungen anpassen. Das erfordert auch von ihren Berufs- und Branchenverbänden, dass sie in Bezug auf die aktuellen Themen stets à jour sind. Doch wie gelingt es diesen Verbänden, aufkommende wichtige Themen zu antizipieren, aufzugreifen und für ihre Mitglieder in diesen Themen nutzenstiftende Angebote zu schaffen?
Das Spannungsfeld dürfte hinlänglich bekannt sein: Während sich der Berufsverband mit seinen etablierten Leistungen wie Beratung, Aus- und Weiterbildung der Berufsträger:innen, politische Interessenvertretung befasst, befinden sich seine Mitglieder im sprichwörtlichen «perfekten Sturm» von neuen Kundenbedürfnissen, Regulierungen, Technologien etc. Firmen sind es sich gewohnt, rasch auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren und erwarten dabei von ihrem Wirtschaftsverband Orientierung. Doch Berufs- und Branchenverbände reagieren oft nur langsam auf neue Trends. Sie können ihre Angebote nicht von heute auf morgen anpassen, weil es dafür nebst dem Vorstandsentscheid oft einen vorgelagerten Willensbildungsprozess und einen nachgelagerten Entscheid durch Mitglieder- resp. Delegiertenversammlung braucht.
Das zeigte sich zum Beispiel während der Covid-Krise: Die fast im Wochentakt vom Bundesrat bekanntgegebenen Vorschriften zu Hygiene, Quarantäne, Homeoffice etc. führten bei den betroffenen Unternehmen zu Verunsicherung. Vom Berufs- resp. Branchenverband wurde erwartet, dass er für seine Mitglieder in übersichtlicher Form darstellt, welche Regeln neu gelten. War der Verband aber selbst auch überfordert und daher inaktiv, bestand die Gefahr, den Erwartungen der Mitglieder nicht gerecht zu werden und an Bedeutung einzubüssen
Am Puls der Zeit bleiben
Damit dies nicht passiert, müssen Wirtschaftsverbände selbst auch nahe am Puls der Zeit sein, d.h. sie müssen ein Sensorium für aufkommende Themen entwickeln. Sie tun dies, indem das oberste Leistungsgremium mindestens einmal pro Jahr eine Umfeld- und eine Risikoanalyse durchführt und sich – auch über externe Fachinputs – mit den aktuellen Trends befasst. Es heisst aber auch, dass der Verband Mitgliederumfragen durchführt, um zu wissen, wo der Schuh drückt. Oder er holt sich die notwendigen Informationen bei seinen Sektionen (die oft näher an den Mitgliedern «dran» sind als der Dachverband).
Die Bedeutung von KI für die eigene Branche analysieren
Drei aktuelle Themen sind im gegenwärtigen Umfeld besonders relevant: KI, Nachhaltigkeit und Diversität. Die technologische Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz ist – von vielen lange unbemerkt – rasch vorangeschritten. Spätestens seit der Popularisierung der Technologie durch ChatGPT dürfte aber allen klar geworden sein, welche Sprengkraft KI besitzt. Sie erledigt heute Aufgaben in Sekundenschnelle, für die es bisher ein Heer an hochqualifizierten (und gutbezahlten) Fachkräften brauchte. Was das für die eigene Branche und das eigene Berufsbild bedeutet, lässt sich erst erahnen, sollte nun aber gründlich analysiert werden. Wirtschaftsverbände sind gefordert, ihre Mitglieder mit entsprechenden Informationen zu bedienen. Das kann in Form von Informationsanlässen, Workshops oder Erfa-Austauschen geschehen. Dazu muss sich der Verband auch mit Fragen zu den Auswirkungen der KI auf die eigene Verbandstätigkeit befassen: Welchen Einfluss hat KI etwa auf die Aus- und Weiterbildung (und vor allem die Prüfungsformate)? Wie kann der Verband KI selbst einsetzen, um seine internen Prozesse effizienter zu gestalten etc.?
Nachhaltigkeit ist kein Hype
Auch beim Thema Nachhaltigkeit dürfte es sich kaum um einen Hype handeln. Im Gegenteil: Nachhaltigkeit hat als gesellschaftliche Idee und Vision stark an Bedeutung gewonnen. Angesichts der globalen Herausforderungen in den Bereichen Umwelt (Stichwort Klima- und Biodiversitätskrise), Wirtschaft (Einkommens- und Vermögensungleichheit) und Soziales (Sensibilisierung für diskriminierende Strukturen) wird heute von der Wirtschaft nachhaltiges Verhalten gefordert. Für Führungskräfte stellt Nachhaltigkeitsmanagement eine wichtige Aufgabe dar und zwar unabhängig davon, ob sie den normativen Anspruch der Nachhaltigkeitsbewegung teilen oder nicht. Doch wie kann man sich im Dschungel von Standards, Labels und Monitoring- und Reporting-Anforderungen zurechtfinden? Branchen- und Berufsverbände sind gefordert, ihren Mitgliedern eine Übersicht zu verschaffen und bei der Weiterentwicklung von Branchenstandards für Nachhaltigkeit selbst mitzuwirken. Dazu müssen sie auch die eigenen Hausaufgaben erledigen und die eigene Verbandstätigkeit nachhaltiger gestalten.
Diversität als soziale Dimension der Nachhaltigkeit
Wird unter Nachhaltigkeit nebst der ökologischen (und der ökonomischen) auch die soziale Dimension mitverstanden, so landet man schnell beim Thema Diversität. Auch um dieses Thema kommen (Wirtschafts-)Verbände heute nicht mehr herum. Doch wer gegenüber seinen Mitgliedern im Thema Diversität glaubwürdig und kompetent auftreten will, muss bei der Zusammensetzung der eigenen Belegschaft und Gremien auf Diversität achten und gegebenenfalls Massnahmen ergreifen, um in Sachen Geschlecht, Alter, Herkunft etc. eine ausgewogene Durchmischung zu erzielen. Dass daraus auch mehr Produktivität, bessere Entscheidungen und eine bessere Governance resultieren, zeigen zahlreiche Studien. Wirtschaftsverbände tun deshalb gut daran, hinsichtlich Diversität mit gutem Beispiel voranzugehen.
Fazit
Wirtschaftsverbände können ihren Mitgliedern nur nutzenstiftende Angebote bieten, wenn sie in den relevanten Zukunftsthemen selbst auch fit sind. Die Entwicklung eines Sensoriums für aufkommende Themen wie KI, Nachhaltigkeit und Diversität und die Auseinandersetzung mit diesen Themen sind kein Selbstzweck, sondern bringen für Branchen- und Berufsverbände ganz konkrete Vorteile, die sie an ihre Mitglieder weitergeben können. Gerne stehen wir Ihnen hierfür mit Inputs und Gedankenanstössen, aber auch prozessbegleitend und mit Methodik zu Verfügung.
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