Im Interview mit Adrian Derungs, Direktor der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ, unterhalten wir uns über die Rolle von Wirtschafts-, Berufs- und Branchenverbänden im Bereich der Nachhaltigkeit.
Die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ ist eine der insgesamt 18 Industrie- und Handelskammern der Schweiz. Die IHZ ist das Zentralschweizer Kompetenzzentrum für Wirtschaftspolitik und Export. Sie vertritt über 700 Unternehmen in den Kantonen Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden. Neben Wirtschaftspolitik, Export und ihrer Netzwerktätigkeit engagiert sich die IHZ im Bildungs- und in letzter Zeit verstärkt auch im Nachhaltigkeitsbereich.
B’VM: Was tut die IHZ im Bereich der Nachhaltigkeit genau für ihre Mitglieder?
Adrian Derungs: Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind für uns zwei Querschnittsthemen, die wir als branchenübergreifender Verband begleiten. Mit Blick auf das breite Thema Nachhaltigkeit haben wir zwei Ziele: Einerseits unsere Mitglieder über aktuelle Entwicklungen zu informieren und andererseits uns im Bereich der Gesetzgebung aktiv einzubringen. Weiter kommunizieren wir Beispiele von Unternehmen, die im Bereich des nachhaltigen Unternehmertums konkrete Lösungen erarbeiten. Diese agieren als Vorbilder und inspirieren andere Wirtschaftsakteure, ebenfalls Lösungen umzusetzen. Nachhaltigkeit entwickelt sich zu einem Wirtschaftszweig, in dem sich viele Anbieter von Zertifizierungen, Labels und anderen Dienstleistungen tummeln. Dabei ist noch nicht klar, welche Standards sich durchsetzen, welche Angebote effektiven Mehrwert bieten und wo es sich nur um «Papiertiger» oder Greenwashing handelt. Aus diesen Gründen haben wir zusammen mit unterschiedlichsten Akteuren in unserer Region das Nachhaltigkeitsnetzwerk Zentralschweiz NNZ gegründet. Diese Plattform übernimmt die Aufgabe als Anlaufstelle für unterschiedlichste Anspruchsgruppen, von Privatpersonen, über Gemeinden bis hin zu Unternehmen. Dort erfolgt je nach Interesse und Bedürfnis eine Triage und Weiterleitung zu weiteren Dienstleistern oder offiziellen Stellen. Das NNZ ist eine Informationsplattform für den Dialog und die Sensibilisierung für das Thema Nachhaltigkeit.
B’VM: Weshalb ist die Nachhaltigkeit für die Mitgliedsunternehmen der IHZ ein wichtiges Thema?
Derungs: Es ist ein Thema, das die Unternehmen seit vielen Jahren auf unterschiedlichen Ebenen bewegt. Exemplarisch stehen für die ökologische Nachhaltigkeit Optimierungsmassnahmen im Bereich der Energieeffizienz bei produzierenden Betrieben. Mit Blick auf die soziale Nachhaltigkeit sind es die Sozialpartnerschaft oder Massnahmen im Bereich der Arbeitgeberattraktivität. Im Bereich der ökonomischen Nachhaltigkeit ist es ein intrinsischer Antrieb der Unternehmen, langfristig erfolgreich zu wirtschaften. Nur so können sie Löhne zahlen, Investitionen tätigen oder Innovationen vorwärtstreiben. Das heisst, Nachhaltigkeit und verantwortungsbewusstes Arbeiten ist per Definition Teil der Unternehmen und Kernelement von erfolgreichem Unternehmertum und dem Wohlstand in der Schweiz. Zudem sind die Unternehmen auch im Geschäftsalltag mit weiteren Fragen der Nachhaltigkeit konfrontiert. Sei es im Bereich von Anforderungen bei Finanzierungsfragen von Projekten oder im Bereich der Lieferketten. Hier beobachten wir ein Spannungsfeld zwischen grösseren Betrieben, die sich organisatorisch z.B. mit einem internen Nachhaltigkeitsbeauftragten bereits an Informationspflichten oder ähnliche Anforderungen angepasst haben. Verständlicherweise geben die grösseren Betriebe gewisse Verpflichtungen oder Standards weiter an ihre Lieferanten. Für ein KMU als Lieferant ist diese Flut an Anforderungen, Zertifizierungen und administrativem Aufwand eine enorme Belastung. Hier ist es wichtig, dass der Gesetzgeber Augenmass behält und sinnvolle Regulierungen erlässt. So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Regulierungen und Bürokratie lösen allein keine Probleme.
B’VM: Welche Rolle spielen die Verbände in der Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit?
Adrian Derungs: Grundsätzlich müssen wir akzeptieren, dass weder die Politik noch die Verbände die Wirtschaft transformieren. Der politische Prozess ist für den Rahmen bzw. die Spielregeln zuständig. Die vielseitige und heterogene Schweizer Unternehmenslandschaft transformiert sich im vorgegebenen Rahmen selbst. Das ist abhängig von unzähligen Aspekten, wie der Branche, der Unternehmensgrösse, der Unternehmenskultur oder der Region.
„Wir machen dies nicht als Selbstzweck für uns als Verband, sondern weil das Thema von unterschiedlichen Mitgliedern an uns herangetragen wurde und wir dies als relevantes Querschnittsthema für alle Branchen identifiziert haben.“
Adrian Derungs, IHZ
B’VM: Und was haben die Verbände selbst davon? Welches sind die Vorteile aus Sicht der Wirtschafts-, Berufs- und Branchenverbände, wenn sie im Bereich der Nachhaltigkeit aktiv sind?
Adrian Derungs: Wir machen dies nicht als Selbstzweck für uns als Verband, sondern weil das Thema von unterschiedlichen Mitgliedern an uns herangetragen wurde und wir dies als relevantes Querschnittsthema für alle Branchen identifiziert haben. Deshalb begleiten wir die Thematik inhaltlich neben den weiteren, strategisch relevanten und statutarisch definierten Kernthemen unseres Verbandes.
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